WebSci 2018
Ende Mai 2018 hatte ich die Gelegenheit an der WebScience Konferenz teilzunehmen. Eine Tagung an welcher sich Informatiker und Sozialwissenschaftler treffen! Der ACM Turing Votrag von Sir Tim Berners-Lee, adaptive Lernanalysen, Gründe für Radikalisierung auf Twitter, oder die Internetregulierung in Russland sind nur einige der sehr interessanten Themen. Im folgenden mein detailierter Reisebericht.
Anstatt nur chronologisch alle Vorträge aufzulisten, werde Ich mich auf einige wenige Voträge konzentrieren welche ich besonders mochte, und natürlich auf die sozialen Aktivitäten rund um die Konferenz. Zuerst ein bisschen Kontext, was ist die WebScience Konferenz?
Die WebScience Konferenz dreht sich rund um das Web, das größte sozio-technische Netzwerk der Menschheitsgeschichte, und hat das Ziel Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen zusammenzubringen, wie z.B. Informatik, Soziologie, Wirtschaft oder Psychologie. Dieses Jahr wurde bereits die 10. Edition der Konferenz abgehalten, und ein besonderer Punkt in der Agenda war der ACM Turing Votrag von Sir Tim Berners-Lee, dem Erfinder des Webs. Neben 150 Konferenzbesuchern wurden 1.500 zusätzliche Gäste erwartet.
Was ich am meisten mochte Der interdisziplinäre Ansatz der Konferenz. Algorithmen und Daten treffen soziologische und psychologische Andwendungsfälle.
Was ich nicht mochte Eine Podiumsdiskussion sollte jede Session abschließen, jedoch hat keine meiner besuchten Sessions dies getan, zusätzlich waren die Vorträge der verschiedenen Sessions nicht synchronisiert was es erschwerte zwischen den Sessions hin und her zu wechseln.
LILE workshop
Die Hauptkonferenz startete am Montag, jedoch habe ich bereits am Sonntag im Vorprogramm teilgenommen, da ich unsere Arbeit bezüglich Linked Data Generation for Adaptive Learning Analytics Systems im Linked Learning Workshop (LILE) vortragen durfte. Vergangene Workshop Editionen wurden zusammen mit Semantic Web Konferenzen (ESWC oder ISWC) und der WWW Konferenz abgehalten. Dieses Jahr nahm der Workshop Interdisziplinarität in den Fokus (daher im Rahmen von WebScience), was auch in der Bewertung des besten Papers berücksichtigt wurde. Das beste Paper dieses Jahr stammt von Simone Kopeinik und Kollegen. Deren Arbeit betrifft die Adaption von sozialen open source Lesezeichen Systemen um kritisches Informationsverhalten zu beobachten. Herzlichen Glückwunsch!
Eine Keynote wurde von Inge Molenaar über selbstreguliertes Lernen gegeben. Eingangs im Vortrag wurde bereits die Frage aufgeworfen, “von welchen Prozessen wir möchten, dass sie von Computern übernommen werden?”. Später in der Präsentation lernte ich das Selbstberichterstattung keine sehr gute Methode ist um Selbstregulierung zu messen.
John Domingue hielt die zweite Keynote, welche sich mit Blockchain in Hochschulbildung befasste. Unter anderem lernte ich das Uber-ähnliche Universitäten existieren, welche virtuell sind und eine Blockchain verwenden um die Teilnahme in Onlinekursen, Noten und Abschlussurkunden zu verwalten.
Montag
Der erste offizielle Konferenztag startete direkt mit der “Best of Web Science” session, in welcher Miriam Fernandez über das Verstehen von Nutzerradikalisierung auf Twitter redete. Deren Ansatz: “Versucht nicht zu erkennen ob jemand radikal ist, sondern messt die Beeinflussung auf micro, meso und macro level”. Interessant ist, dass die Terrororganisation ISIS eine wöchentliche Zeitschrift herausgibt welche von Forschern verwendet wird um Worteinbettungen maschinell zu lernen.
Ein anderer Vortrag der Session, gegeben von Reuben Binns, wies darauf hin das Muttergesellschaftsbeziehungen oft Datenaustauschbeziehungen sind, und das eine App in der Regel 5 Tracker installiert hat. Das vorgestellte X-ray Transparenztool ist auf GitHub erhältlich. Proudly presented to you by Microsoft 😛 (Microsoft, übrigens auch im Vortrag erwähnt als eines der weitverbreitesten Trackerunternehmen).
Später an diesem Tag habe ich hauptsächlich Vorträge der Session “Flow, Information and News” besucht. Eine interessante Präsentation von Emma Lurie handelte über die Effekte von Google’s Ergebnisseiten auf die Glaubwürdigkeit von Online Nachrichtenseiten. Ich lernte, dass snopes.com Fakten überprüft und das einige Studienteilnehmer Anhaltspunkte von sozialen Medien, wie zum Beispiel Facebook ranking oder Twitter Aktualität, zu schätzen wissen. Mehr Informationen können hier gefunden werden.
Am Montag war auch die Poster Session. Im WebScience Spektrum war alles von online media discourse in authoritarian elections in the case of 2016 St. Petersburg electoral campaign bis hin zu Linkflows: enabling a web of linked semantic publishing workflows alles vertreten.
Der Tag wurde mit einem Event und Abendessen für PhD Studenten gefördert durch Web Science Trust abgerundet.
Dienstag
Dienstag stand im Schatten vom ACM Turing Vortrag von Sir Tim Berners-Lee, dem Erfinder des Webs. Neben den 150 Konferenzbesuchern wurden rund 1.500 Gäste mehr erwartet. Laut Tim kann man den Unterschied zwischen dem Internet und dem Web an einem simplen Beispiel betrachten: Wenn man beim Anfordern einer Webseite einen Serverfehler erhält, sieht man dass das Internet funktioniert, aber der Web Teil Probleme hat. Eine wichtige Take-home messsage für mich war der Aufruf unsere Rechte einzufordern und gegen Initiativen zu demonstrieren welche das Web gefährden, wie z.B. die Aufhebung der Netzneutralität.
In der Session “Methods and Practice”, hat Alexander Darer über die automatische Entdeckung von Internetzensierung mittels Web crawling referiert. Er und seine Kollegen versuchten nachvollziehbar zu machen, wie Länder das Internet blockieren. Eine Empfehlung aus den Reihen des Publikums bezüglich der vorgestellten Forschung war, die initiale Liste von blockierten Webseiten welche von Wikipedia stammt mittels Cluster Analyse mit ähnlichen Seiten zu erweitern. Ebenfalls vorgeschlagen wurde eine tiefergehende Analyse der Typverteilung der blockierten Webseiten (z.B. Glücksspiel, Nachrichten oder Entertainment). Diese sozialwissenschaftliche Perspektive auf Daten welche die vorgestellte Forschung verbessern, sind meiner Meinung nach einer der wichtigsten Vorteile von Events wie der WebScience Konferenz!
Dienstag fand ebenfalls das offizielle soziale Event statt. Wir hatten eine nette Bootsfahrt durch die Kanäle von Amsterdam (unglücklicherweise mit etwas Regen) und hatten Abendessen im Restaurant “Ij-Kantine”, wo ebenfalls die best Paper Preisverleihung statt fand.
Mittwoch
Die letzte Keynote der Konferenz wurde von John Domingue gehalten und behandelte die Zukunft von Semantik im Web. Nachdem er etwas von der Geschichte des Semantic Web erzählt hat, redete John über reale Probleme bezüglich Provenance und Zentralisierung. Die Windrushgeneration im Vereinigten Königreich sind britische Staatsbürger welche von anderen Teilen des Commonwealth in das Vereinigte Königreich migrierten. Deren Rechte wurden im Einwanderungsgesetz von 1971 garantiert. Aber aufgrund eines neuen Gesetzes müssen diese Leute nun deren ständigen Wohnsitz seit 1973 nachweisen. Eine schwierige Aufgabe sofern man keine detaillierten Provenance Informationen seines Aufenthaltes im gesamten genannten Zeitraum besitzt. Das Innenministerium zerstörte kürzlich die Einreisekarten (welche zentralisiert aufbewahrt wurden), was das Nachweisen noch erschwert. Die Keynote behandelte außerdem Maschinenlernalgorithmen, und wie solche Algorithmen RDF triples in einem Vektorraummodell benutzen können.
Neben den genannten Fakten besteht meine Take-home message aus der Tatsache, dass Semantik zwischen Menschen und Maschinen beheimatet ist. Miriam Fernandez merkte an, dass obwohl ausgedrückte Semantik subjektiv sein kann, Vorurteile (Bias) immerhin sichtbar sind und Provenance ausgedrückt werden kann um herauszufinden woher Vorurteile stammen.
Bei einem anderen interessanten Vortrag an diesem Tag über Internetregulierung und Medienberichterstattung in Russland gehalten von Anna Shirokanova, lernte Ich das eine kleine Bloggersphäre in Russland zu einer riesigen Politiksphäre angewachsen ist. Anfang der 2000er Jahre existieren eine Menge Blogs in Russland, welche ebenfalls kritisch über die Regierung berichteten. Später wurden dann verschiedene Gesetze verabschiedet um z.B. Blogger zu zwingen sich als Medienfirma anerkennen zu lassen (samt aller Verantwortlichkeiten). Andere Gesetze folgten, beispielsweise betreffend der Speicherung von Daten russischer Staatsbürger, oder dem Verwenden von VPNs.
Gefion Thuermer referierte über Online Partizipation innerhalb der Partei Bündnis90/Die Grünen. Basierend auf einer durchgeführten Umfrage stellte sich heraus das jüngere Leute denken dass Online Partizipation eine gute Sache für ältere Leute darstellt, da diese nicht mehr so mobil sind. in ähnlicher Weise denken ältere Leute das Online Partizipation gut für jüngere Leute ist, da diese ja mit der Technik aufgewachsen sind. Zukünftige Forschungsaktivitäten beinhalten eine Panel-Umfrage vor und nach der Einführung eines Online Partizipationstools.
Das war die WebScience Konferenz aus meiner Perspektive. Wie bereits erwähnt, eine großartige Veranstaltung bei der sich Informatiker sowie Sozialwissenschaftler treffen. Ich habe eine Menge interessanter Leute getroffen und hoffe nächstes Jahr wieder teilzunehmen!